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Wolfsburger schildert seinen schweren Armuts-Alltag: „Wenn es nichts zu essen gibt, dann ist das halt so“

Jürgen gehört zu den ärmsten Menschen in Wolfsburg. In einem Podcast erzählt er mutig und offen seine Geschichte.

Jürgen war bei Jasmin und Sina zu Gast.
© Carpe Diem

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3 Dinge sollte jeder in seiner oder ihrer Altersvorsorge auf dem Schirm haben. Wir zeigen, womit du beginnen solltest, um der Altersarmut zu entgehen.Dieses Video wurde mit der Hilfe von KI erstellt und vor der Veröffentlichung von der Redaktion sorgfältig geprüft.

Armut im reichen Wolfsburg? Wie passt das zusammen?

Dank VW verdienen die Wolfsburger doch überdurchschnittlich viel – Wolfsburg steht seit Jahren sehr weit oben in den Einkommens-Statistiken. Und dennoch gibt es sie: Menschen, deren Geld nicht bis zum Monatsende reicht. Stichwort Altersarmut.

Wolfsburg: Armut im Alter – auch in der VW-Stadt

Einer davon ist Jürgen. Er ist erst 56 Jahre alt, kann aber seit einer schweren Rücken-Verletzung schon lange nicht mehr arbeiten. Dabei hatte er schon viele Jobs, war Maler, technischer Illustrator, aber auch Umzugshelfer und sogar Babysitter. Geregeltes Einkommen habe er aber nie gehabt, sei im Winter oft arbeitslos gewesen.

Und jetzt? Jetzt ist Altersarmut sein täglicher Begleiter. Im Lockdown habe es ihn daher zum ersten Mal in den Tagestreff „Carpe Diem“ verschlagen. „Das war eine harte Zeit. Mein Geld war nach 15 Tagen aufgebraucht. Und den Rest des Monats musste ich dann von Pfandflaschen leben, was nicht sehr ertragreich war“ , erzählt Jürgen ganz offen im Carpe-Podcast „Straßenphilosophen“.

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Nach Abzug aller Fixkosten habe er im Monat immer nur um die 200 Euro zur Verfügung. Alles, was nicht absolut lebensnotwendig ist, müsse daher hinten anstehen – auch Hygiene-Artikel. Etwas leisten oder gönnen könne er sich schon lange nichts mehr. „Ich kaufe so wenig ein, wie es geht. Jeder Tag, an dem ich kein Geld ausgebe, ist ein guter Tag.“ Dabei gehe es armen Menschen in Wolfsburg noch vergleichsweise gut. „Hier schmeißen die Leute manchmal Sachen weg, die man eigentlich noch gut gebrauchen kann“, sagt Jürgen.

Jasmin Hinze und Sina Kusche haben Jürgen zum Podcast eingeladen.
Jasmin Hinze und Sina Kusche haben Jürgen zum Podcast eingeladen. Foto: Carpe Diem Wolfsburg

Auch für Carpe-Mitarbeiterin und Podcasterin Jasmin ist das Thema Armut in Wolfsburg ein sehr spezielles. Mit Blick auf die VW-Stadt Wolfsburg sagt sie: „Hier dürfen viele Menschen das Glück haben, in einem sehr guten Lohnverhältnis zu sein. Das hat aber ganz oft zur Folge, dass sie gar nicht mehr verstehen, dass sie die Ausnahme sind. Das ist häufig eine Blase, in der sie sich bewegen dürfen. In anderen Städten sieht das ganz anders aus. Aber der Perspektiv-Wechsel ist manchmal schwierig.“


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Jürgen versucht, gar nicht so viel über das Geld anderer Menschen nachzudenken. „Wenn ich mich auf dieses Gedanken-Spiel ‚Oh Gott, der hat so viel Kohle!‘ einlasse, dann beeinflusst mich das ja auch negativ. Ich versuche, lieber positiv zu denken und freue mich, wenn ich einen Sechser-Träger Pfandflaschen finde oder so.“

Wolfsburger schildert Hunger-Tage

Tage, an denen er sich nichts zu essen kaufen kann, seien für ihn normal – vor allem im Corona-Lockdown, wo er auch extrem abgenommen habe. „Das ist schon so alltäglich, dass es fast langweilig ist. Allein eine Mahlzeit am Tag zu haben ist für mich extrem wertvoll. Drei Mahlzeiten sind schon lange eine reine Illusion. Und wenn es nichts zu essen gibt, dann ist das halt so.“

Zum Glück gebe es aber das Carpe Diem in Wolfsburg. Die Köche machten ihn hier wirklich glücklich, sagt Jürgen. Auch die Gesellschaft gefalle ihm. Er nehme die Hilfe gerne an: „Eines habe ich gelernt: Stolz, Würde und auch Mitleid sind Luxus-Gefühle. Die kann und muss man sich nicht immer leisten. Und ich leiste mir die auch nicht. Schon lange nicht mehr.“ Zum Schluss gibt uns Jürgen noch etwas mit auf den Weg. Eine Lebenserfahrung, die er gemacht hat: „Man kann im Leben alles machen, nur eines nicht: Aufgeben!“

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Warum Jürgen nie eine Frau oder eine Familie hatte und was die Stadt Wolfsburg gegen Altersarmut macht, erfährst du in der aktuellen Podcast-Folge „Straßenphilosophen – Geschichten zwischen Parkbank und Markthalle“ HIER – oder bei Spotify und bei iTunes