Wolfenbüttel.
Update: Die Polizei begründet, warum die Abschiebung mitten in der Nacht stattfinden sollte.Eine ganze Fußballmannschaft steht hinter ihrem Mitspieler. Die Kicker der zweiten Herrenmannschaft des MTV Wolfenbüttel können nicht verstehen, dass ihr Freund und Teamkamerad Moses (19) zurück nach Italien abgeschoben werden soll.
Aus Verzweiflung auf einen Hochspannungsmast
Aus Verzweiflung über die drohende Abschiebehaft und die Rückführung in jenes EU-Land, in das er als Flüchtling aus dem Südsudan zuerst gekommen ist, war der 19-Jährige Ende Juli auf einen Hochspannungsmasten geklettert (wir berichteten). Erst nach längerem Zureden war er von der Polizei davon überzeugt worden, dass sein angedrohter Selbstmord keine Lösung ist.
Team-Besuch im Krankenhaus
Seit dem Vorfall ist Moses zur Behandlung in einem Krankenhaus und in psychiatrischer Behandlung. Inzwischen hat „seine“ Mannschaft ihn dort besucht. „Moses hat sich so gefreut, uns alle zu sehen“ erzählt Teamkamerad Lukas über den Besuch.
„Natürlich ist er immer noch sehr verängstigt und weiß nicht, wie es in Zukunft weitergehen soll“, sagt sein Teamkamerad Lukas.
Für die Sportler des MTV Wolfenbüttel und auch für Engelhardt selbst ist der Fall ein Beispiel dafür, wie unsensibel deutsche Bürokratie sein kann: „Ich kann nicht verstehen, warum dieser offene Mensch nicht bei uns bleiben darf. Für unsere Mannschaft ist er so wichtig. Und ich merke, dass er sich hier bei uns wirklich wohlfühlt.“
Und Moses wolle für sich selber sorgen: „Er lernt bereits Deutsch und möchte später als Lokomotivführer arbeiten“.
Verwaltungsgericht sieht den Fall anders
Für die Behörden allerdings ist der Fall nicht so eindeutig: Moses habe in Deutschland nur vier Halbbrüder und damit laut Definition keinen direkten Familienanschluss.
Deshalb müsse er dorthin zurück, wo er zuerst registriert worden ist – nach Italien. So jedenfalls hat das Verwaltungsgericht Braunschweig entschieden.
Warum mitten in der Nacht?
In der Nacht zum Donnerstag, 28, Juli standen Beamte der Polizei Salzgitter vor Moses‘ Haustür und baten ihn, mitzukommen. Gegen 1 Uhr morgens sollen die Beamten den Jungen aufgefordert haben, seine Sachen zu packen und die Beamten zu begleiten.
Warum die Abschiebung mitten in der Nacht stattfinden sollte, erklärt die Pressesprecherin der Polizei Salzgitter Sabine Goldfuß auf Nachfrage von news38.de: „Wann die Menschen abgeholt werden, hängt immer mit den Flugzeiten zusammen. Moses sollte einen frühen Flug von Frankfurt aus nehmen, dementsprechend früh musste er abgeholt werden.“ Die Verantwortung für derlei Einsätze weist sie allerdings von sich. „Grundsätzlich ist die Landeseaufnahmebehörde für die Abschiebungen zuständig. Wir als Polizei unterstützen in solchen Fällen lediglich.“
Freunde ergreifen die Initiative
Seine Freunde allerdings haben mittlerweile die Initiative ergriffen und ein Spendenkonto eingerichtet. „Moses hat einen Anwalt, der versucht, für ihn ein Aufenthaltsrecht zu erwirken“ so Lukas. „Dafür brauchen wir Spenden. Die Kosten können wir allein nicht aufbringen.“
Mittlerweile gibt es sogar eine Online-Petition im Internet, mit der die Abschiebung des 19-Jährigen verhindert werden soll.
Aufruf in sozialen Netzwerken
Auch in den sozialen Netzwerken engagieren sich die Freunde von Moses, um auf ihren Fall aufmerksam zu machen. Auf der Seite „Moses soll bleiben“ schildern sie den Fall aus ihrer Sicht.
Demnach sind Moses und seine Halbbrüder Ende 2014 von Bewaffneten aus dem Haus ihrer Familie in dem bürgerkriegsgeplagten Land geholt worden, um zu Kämpfern ausgebildet zu werden.
Doch ihm und den Brüdern gelang die Flucht – erst in den Norden Afrikas, dann übers Mittelmeer und von Italien schließlich nach Deutschland. Im Landkreis Wolfenbüttel nahm die wochenlange Odyssee dann zunächst ein glückliches Ende.
Und hier, das ist sein großes Ziel, will der 19-Jährige ein Leben in Sicherheit aufbauen. Mit seinen Brüdern – und jenen Freunden, die er beim MTV Wolfenbüttel gefunden hat.