Sinan und sein Team sind wieder da. Mehrere Tage haben die Männer aus Salzgitter im Erdbeben-Gebiet in der Türkei mit angepackt und versucht, den Menschen dort zu helfen.
Im Gespräch mit News38 gibt der Salzgitteraner Einblicke ins Katastrophen-Gebiet – und in sein Seelenleben.
Salzgitter: Türkei-Helfer wieder da
Nach einer schwierigen Anreise mit vielen Hürden habe sich in der vom Erdbeben mit am schwersten betroffenen Stadt Kahramanmaras ein im wahrsten Sinne erschütterndes Bild gezeigt, sagt Sinan. Es gebe keine Straßen und Wege mehr. Man müss sich seinen Weg irgendwie selber bahnen – so kompliziert und eigentlich unmöglich das auch ist. „Für uns gab es kein ‚Nicht-Befahrbar‘, sondern nur ein Hin oder Hin.“ Besonders krass: Offenbar sei die Not so groß, dass die Leute sich schon gegenseitig attackieren. Sogar mit Waffen. Alles, was noch da war, hätten die Leute geplündert. Es gebe also nichts mehr. „Jeder Laden war leer.“
Und: „Es fing direkt mit Schreien und Angriffen auf unser Auto an. Weil die Leute so verzweifelt waren, weil sie keine Hilfe bekommen hatten. Und sie hatten extremen Hunger“, schildert Sinan die ersten Eindrücke. „Ich dachte, wir sind in einem Film. In einer Kulisse. Bis ich dann die ganzen Leute weinen gesehen habe. Da wusste ich: Diese Tränen sind echt.“ Das sei für ihn ein Wendepunkt gewesen. „Da wusste ich: Okay, du musst jetzt helfen. Du bist die Hilfe für diese Menschen.“ Die Menschen seien unfassbar dankbar gewesen. „Da kriege ich total Gänsehaut, wenn ich daran denke.“
Große offizielle Hilfsorganisationen habe er in Kahramanmaras nicht gesehen. „Den Menschen dort hilft nur beten. Oder Leute wie wir, die anpacken.“ Vor Ort habe er auch türkische Helfer getroffen. Mit denen habe man Sachen ausgetauscht. Werkzeug gegen Windeln zum Beispiel.
Erschwerend hinzugekommen sei die Kälte: „Wir haben mit mehreren Leuten im Auto geschlafen, weil es draußen nachts bis zu minus 25 Grad kalt war.“ Natürlich habe es auch keine Duschen gegeben. Auch Zähneputzen sei ausgefallen. „Aber das ist ja auch Luxus“, sagt der Dönerbuden-Betreiber.
Salzgitteraner schildert Eindrücke
Und dann schildert Sinan einen wirklich apokalyptischen Zustand: Ein Arzt habe ihm gesagt, dass Wölfe und Wildschweine sich inzwischen teilweise von den menschlichen Leichen ernährten. Und der tierische Mist könne dann wiederum die Menschen krankmachen.
„Vor Ort herrscht Gestank, den kein Mensch aushalten kann. Auch nicht mit drei Masken.“ Außerdem habe man manchmal nichts mehr sehen können. Und schlecht atmen. Die Luft sei sehr stickig gewesen. Man habe sehr viel Wasser trinken müssen. „Das wünsche ich keinem meiner Feinde, so etwas erleben zu müssen.“
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Wirklich „zurück“ ist Sinan noch nicht. Auch, wenn er wieder in Salzgitter ist. In Gedanken sei er noch bei den Opfern in der Türkei. Auch, weil er wisse, dass die Menschen dort weiterhin Hilfe brauchen. Dennoch müsse sein Leben in Salzgitter jetzt weitergehen. „Mit den Toten sollte man nicht sterben“, sage man im Türkischen. Am letzten Tag habe er mit den anderen ein verstorbenes Familienmitglied in den Trümmern entdeckt und geborgen. Anschließend habe man den Toten begraben. Um Abschied zu nehmen, sei es extrem wichtig, die Menschen zu finden.
Sinan schließt nicht aus, noch einmal ins Katastrophen-Gebiet zu fahren, um zu helfen. „Die Option lasse ich offen. Vielleicht fahre ich ja morgen schon wieder.“