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Skandal um AfD im Lehrstuhl: Meuthen unterrichtet jetzt Beamte

„Mir erzählt keiner, was ich zu unterrichten habe“ – Jörg Meuthen, ein ehemaliger AfD-Politiker, lehrt jetzt Beamte.

Ehemaliger AfD-Chef zurück im Lehrstuhl. Müssen die Studierenden das akzeptieren?
© imago images/Sammy Minkoff

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Jörg Meuthen (63) war lange eines der bekanntesten Gesichter der AfD. Er machte Karriere als Bundessprecher der Partei, saß für sie im baden-württembergischen Landtag. Er inszenierte sich als moderater Politiker, distanzierte sich aber nie ganz von den extremen Flügeln und Verbänden der Partei, bis er austrat.

Jetzt unterrichtet der rechtspopulistische Politiker wieder in seinem alten Hörsaal und zwar angehende Beamte.

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Die Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl bildet Fachkräfte für die Verwaltung aus. Menschen also, die eines Tages im öffentlichen Sektor nicht nur über Anträge, sondern über Schicksale entscheiden könnten. Genau diese Menschen, die zu Beginn ihres Studiums einen Eid darauf ablegen, nach bestem Wissen und Können das Grundgesetz und die Landesverfassung zu verteidigen, werden also von dem Ex-Parteichef der AfD, Jörg Meuthen, unterrichtet.

Was passiert, wenn der Professor ein AfD-Politiker war?

Vor der Wiederaufnahme seines Unterrichts im Bachelor-Kurs „Grundlagen der Volkswirtschaftslehre“ teilt Meuthen der „Zeit“ mit: „Ich sehe diese Rückkehr sorglos.“ Er wolle das Ganze entpolitisieren und „die dienstliche Arbeit als Hochschullehrer von meiner politischen Tätigkeit trennen.“ Auch der Direktor der Universität sieht die Rückkehr des Ex-AfD-Politikers nicht allzu kritisch.

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„Eine Hochschule muss einem beurlaubten Dozenten ermöglichen, nach seiner Zeit im Parlament zurückzukehren“, sagte Joachim Becks, Rektor der Beamtenhochschule Kehl, der „Zeit“ zu diesem Thema. Dabei beruft er sich auf das Europaabgeordnetengesetz. Stimmt das? Unsere Redaktion hat Matthias Ruffert gefragt, ob Schulen und Hochschulen wirklich verpflichtet sind, auch Politiker wiederzubeschäftigen, die für die AfD aktiv waren.

Ruffert ist Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er erklärt, die Begründung dafür, dass Meuthen sich wieder auf den Lehrstuhl setzen darf, sei im Gesetz über die Europaabgeordneten zu finden, das auf das Abgeordnetengesetz des Bundes verweist. „Wenn man sich als Angestellter oder Arbeitnehmer in ein Parlament wählen lässt, dann darf man deswegen nicht gekündigt werden. Die Regelung besagt, dass das Arbeitsverhältnis bestehen bleiben muss.“

Ruffert präzisiert: „Bei Beamten ist es so, dass das Dienstverhältnis ruht und auf Antrag muss man wieder auf seinen früheren Dienstposten oder zumindest auf einen vergleichbaren zurückkehren dürfen. Das ist für alle so, das betrifft nicht nur Jörg Meuthen.“ Für die Bundestagswahl stehe das sogar im Grundgesetz.

„Wenn sich jemand engagiert und in einen Bundestag oder einen Landtag wählen lässt und nachher ist der Job weg, dann macht das ja keiner mehr. Das ist der Hintergrund der Regelung.“ Unter diesem Gesichtspunkt könne die Uni also gar nicht viel gegen einen Dozenten machen, der für die AfD in einem Parlament saß, selbst wenn sie wollte.

Darf ein Ex-Parteichef die Verwaltung von morgen prägen?

Eine andere wichtige Regelung stellen die Beamtengesetze des Bundes und der Länder dar. Diese besagen, dass Beamte sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen müssen. Jörg Meuthen könnte nun vorgeworfen werden, dass er, der zwar extreme Aussagen kritisierte, sich aber gleichzeitig positiv über den als gesichert rechtsextrem geltenden Björn Höcke (ebenfalls AfD) äußerte und bei Treffen des völkisch-nationalistischen „Flügels“ vorsprach, dies nicht unbedingt von sich behaupten kann.

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Ob AfD-Politiker Meuthen also dem Anspruch der Beamtengesetze gerecht werden könne, komme schlicht auf sein Verhalten an, so Ruffert. „Wenn jemand sich etwas zuschulden kommen lässt, dann kann der Dienstherr mit Disziplinarrecht losmarschieren. Das wäre dann aber eine Einzelfallentscheidung.“

Ein Problem wäre es, wenn die Lehrperson sich gegen das Grundgesetz äußert. In diesem Punkt widerspricht Ruffert dem wiederkehrenden Lehrer Meuthen, der der „Zeit“ gegenüber sagte, er sei als Professor niemandes Knecht und niemandes Herr. „Mir erzählt keiner, was ich zu unterrichten habe, meine Vorlesungsunterlagen mache ich selbst. Das ist die Freiheit der Lehre.“

Ruffert, der selbst Studenten in Jura unterrichtet, widerspricht: „Im Grundgesetz steht, dass die Freiheit der Lehre nicht von der Treue zur Verfassung entbindet. Also da ist Schluss. Ich kann mich nicht da vorne hinstellen und sagen ’so eine Autokratie wäre doch was Feines‘. Da gibt es Grenzen.“

Im Hörsaal wird viel diskutiert, sich ausgetauscht, manchmal fachlich gestritten. Das ist gut für das Vorankommen und wird oftmals von den Dozierenden aktiv gefördert. Was aber, wenn man sich nicht sicher sein kann, ob der Professor dabei objektiv ist? Was wäre, ganz konkret gesagt, wenn Jörg Meuthen einer Person gegenüber sitzt, die 2015 oder 2016 nach Deutschland kam, die islamischen Glaubens ist – eventuell ein Kopftuch trägt. Würde er dieser hypothetischen Studentin, die gewiss sowieso nicht frei von Diskriminierungserfahrungen dahinkam, wo sie ist, wirklich den gleichen Bildungsweg ermöglichen wie ihren weißen Kommilitonen?

Was können Studierennde tun?

Ruffert erklärt: „An der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung ist es eine besondere Situation für alle Beteiligten. Diejenigen, die dort studieren, sind während der Vorlesung im Dienst, sie kriegen Geld dafür. Das sind Anwärter, die relativ wenig Möglichkeiten haben, die müssen dahin.“ Allgemein sei es so, dass Studierende und Azubis nicht den Anspruch darauf haben, in eine Lehrveranstaltung zu gehen, „wo ihnen die Nase von dem, der da vorne steht, passt“, so Ruffert.

Wenn Meuthen gegen das Disziplinarrecht verstoßen würde, wäre das etwas anderes, so der Europarechtler. „Das muss aber dann auch durchgezogen werden. Es reicht nicht, wenn man der Auffassung ist, dass der ein ekelhafter Mensch ist, und das ist auch gut so. Es muss Verfahren geben für so etwas.“


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Jedoch: „Auch Beamtenanwärter haben ja Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Sie können natürlich ohne Risiko einer Sanktion sich kritisch gegenüber Dingen äußern, die in der Lehre stattfinden.“ Wäre das Interesse da, könnte sich die Studentenschaft also schon gegen den AfD-Politiker zur Wehr setzen.

Als der Mitbegründer der AfD, Bernd Lucke, 2019 an die Uni Hamburg zurückkehrte, um VWL zu unterrichten, wurde er eineinhalb Stunden lang niedergebrüllt – und das, obwohl er damals schon über drei Jahre nicht mehr Parteimitglied war. Ruffert kommentiert das Verhalten der werdenden Beamten in Kehl: „Dass die sich nicht trauen, finde ich ein bisschen erstaunlich.“