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Volt-Spitzenkandidat: „Schaden, den Scholz in Europa angerichtet hat, ist riesig“

Damian Boeselager ist Spitzenkandidat bei der Europawahl. Er fordert mehr Unterstützung für die Ukraine und pocht auf den EU-Beitritt.

Vor der Europawahl fordert Damian Boeselager mehr Unterstützung für die Ukraine.
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Europawahl 2024: Interview mit Volt-Spitzenkandidat Damian Boeselager

Zur bevorstehenden Europawahl haben wir einige Fragen an den Volt-Spitzenkandidaten Damian Boeselager.

Der von Putin geführte Krieg in der Ukraine ist im Vorfeld der Europawahl eines der dominanten Themen. Die Entwicklung an der Front hat spürbare Konsequenzen für die Europäische Union. Im Interview mit unserer Redaktion plädiert Volt-Spitzenkandidat Damian Boeselager für größere Hilfspakete sowie für die schnellere Aufnahme der Ukraine in die EU.

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Am 09. Juni findet die Europawahl statt. Eine der insgesamt 35 Parteien, die in Deutschland gelistet sind, ist „Volt“. Eine junge Partei, die sich erst im Jahr 2018 gegründet hat und dessen Kernanliegen eine mutige Weiterentwicklung der EU ist. Mut, der sich laut Boeselager auch in der Solidarität mit der Ukraine bemerkbar machen muss.

Die Ukraine ist ein Gewinn für die EU und für Deutschland

Nur vier Tage nach dem russischen Überfall hat die Ukraine am 28. Februar 2022 ihren Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union eingereicht. Seit dem 24. Juni 2022 ist sie Beitrittskandidat. Normalerweise dauern die finalen Beitrittsverhandlungen Jahrzehnte, doch der Angriffskrieg hat die Situation verändert. Für Boeselager wäre eine Erweiterung um die Ukraine ein geopolitisches Zeichen gegen den Kreml und der richtige Weg, um die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im angegriffenen Land zu fördern.

„Die Ukraine hat sich mit Blutzoll dazu entschieden, Teil der Europäischen Union zu sein. Ich war vor zwei Wochen wieder in Kiew. Ich finde, dass die da einen großartigen Weg gehen, gleichzeitig ihren Staat anzupassen auf eine demokratische Art und Weise, während sie einen Krieg kämpfen gegen einen Autokraten, einen Tyrannen, um ihr Land zu verteidigen. Und wenn du dich an unsere Werte und an unseren Rechtsstaat halten möchtest, dann bist du in der EU herzlich willkommen.“

Damian Boeselager, EU-Spitzenkandidat Volt, im Interview mit unserer Redaktion

Bei einem Beitritt wäre die Ukraine, in der knapp 38 Millionen Menschen leben, das fünftgrößte Mitglied der EU.


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Kritiker sehen in der potenziellen Erweiterung das Risiko, dass sich die EU übernimmt und so den Zusammenhalt der aktuell 27 Mitgliedstaaten gefährdet. Boeselager hingegen zeichnet ein positives Bild und spricht von wirtschaftlichem Aufschwung – auch für Deutschland.

„Deutschland gewinnt mit einem größeren Binnenmarkt immer massiv dazu. Wenn wir zum Beispiel keine Wechselkurse und keine Zollkosten haben, dann ist das für Deutschland als Exportweltmeister immer richtig geil. Deutschland exportiert 70 Prozent seiner Exporte in den EU-Binnenmarkt. Wenn es dazu kommen sollte, dass die Ukraine beitritt, dann hätten wir da einen Markt mit wirklich sehr vielen Millionen Menschen, der noch gar nicht an dem Punkt ist, wo er sein könnte. Es gibt in der Ukraine kaum Mittelstand und deswegen auch zu wenig Mittelschicht. Das wird sich aber ziemlich schnell entwickeln und mit diesem Aufstieg wird es dann Bedarf geben nach deutschen Produkten. Das ist für uns ein wahnsinnig spannender, sich entwickelnder Markt. (…) In jedem Fall werden wir massiv davon profitieren und wir sollten aufhören darüber zu reden, was ein EU-Beitritt kosten würde.“

Damian Boeselager, EU-Spitzenkandidat Volt, im Interview mit unserer Redaktion

Damit sich die Chance auf einen solchen Binnenmarkt aber überhaupt ergeben kann, müsse die EU die Hilfen für die Ukraine schleunigst ausbauen. Besonders Deutschland sieht der 36-Jährige in der Pflicht.

Boeselager vor Europawahl: „Ein politisches Versagen von unserem Kanzler“

Vor allem populistische Parteien sehen in der Nähe zur Ukraine eine Eskalationsgefahr, die EU gehe ein Sicherheitsrisiko ein. Doch um die Union zu verteidigen, sei gerade der Ausbau multinationaler Beziehungen unumgänglich. Hierbei brauche es mehr Tempo und mehr offensiven Tatendrang.

„Die beste Verteidigungsinvestition, die wir heute machen können, ist der Ukraine helfen sich zu verteidigen. Und das machen wir derzeit gar nicht. Als ich vor zwei Wochen da war, wurde mir erzählt, dass sich das ukrainische Militär derzeit entscheiden muss, ob es Kiew oder Charkiw verteidigt mit den Flugabwehrsystemen, die sie haben. Außerdem mussten sie sich dazu entscheiden, dass sie anstatt drei Abwehrraketen, die normalerweise vom Patriot-System abgeschossen werden, um eine eintreffende Rakete abzufangen, jetzt nur noch eine Rakete abschicken können. Und an der Grenze fehlt Munition, um die heranstürmenden Russen aufzuhalten, die sie dann umbringen. (…) Das ist auch wieder ein politisches Versagen von unserem Kanzler, da endlich eine klare Ansage zu machen und stattdessen packt er sich als Friedenskanzler jetzt bei der EU-Wahl auf die Plakate. Das ist unzureichend.“

Damian Boeselager, EU-Spitzenkandidat Volt, im Interview mit unserer Redaktion

Sein Vorwurf: Olaf Scholz agiere hinsichtlich der Ukraine-Verteidigungshilfen selbstgefällig und küre sich selbst als Superhirn. „Alle anderen EU-Staaten haben sich ein halbes Jahr lang kopfschüttelnd von Deutschland als das idiotischste Land, was man sich vorstellen kann, abgewandt. Der Schaden der angerichtet wurde von Scholz in Europa ist so riesig“.

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An Deutschland und Frankreich gerichtet sagt er, dass Scholz und Macron endlich verstehen müssten, dass man in der Ukraine-Frage zusammenstehen muss. Beide würden ausschließlich innenpolitisch denken, dabei sei EU-Politik längst Innenpolitik. „Das ist einfach ein Fehler in der Wahrnehmung. Fünfzig bis 70 Prozent der Gesetze, die durch den Bundestag laufen, kommen aus der EU. Es gibt keine EU-Außenpolitik mehr. Es ist Innenpolitik und deswegen ist auch zum Beispiel das Diktatorische an Ungarns Präsident Orbán für uns ein innenpolitisches Sicherheitsproblem“.