Goslar.
Die Angst vor dem Corona-Impfstoff AstraZeneca ist groß, viele Menschen lassen ihre Termine verstreichen.
Ein Arzt aus Goslar im Harz möchte nun mit den Gerüchten rund um den berüchtigten Corona-Impfstoff aufräumen.
Im Interview verrät Allgemeinmediziner und Goslars Ärztevereins-sprecher Jens Suckstorff, was er wirklich von AstraZeneca hält.
Können Sie sich erklären, warum der Impfstoff von AstraZeneca, dem in Studien immerhin eine 70prozentige Wirksamkeit attestiert wird, in so kurzer Zeit derart in Verruf kommen konnte?
Jens Suckstorff: Diese Kritik ist rational betrachtet nicht nachvollziehbar. Der Impfstoff wirkt zu fast 100 Prozent gegenüber der Notwendigkeit eines schweren Krankheitsverlaufes.
Es gab jedoch eine Reihe von unglücklichen Umständen im Vorfeld der Impfstoffzulassung, welche zu diesem fälschlichen Eindruck in Teilen der Öffentlichkeit geführt haben.
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In den ersten Studien wurden leider zu wenig ältere Menschen einbezogen, so dass die Europäische Zulassungsbehörde zwar eine generelle Zulassung erteilte, die Ständige Impfkommission (STIKO) aber aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt noch fehlenden Daten für höhere Altersgruppen noch keine Zulassung für über 65-Jährige erteilen konnte.
Am 23. Februar wurden nun erste Ergebnisse aus Schottland veröffentlicht, welche klar zeigen, dass der Impfstoff aus Oxford auch bei älteren Menschen mindestens so gut wirkt wie die bisher in diesen Altersgruppen zugelassenen m-RNA-Impfstoffe.
Ich glaub das die STIKO in naher Zukunft anhand der vorliegenden Daten ihre Empfehlung zur Anwendung des Impfstoffes neu bewertet und wir dann den Impfstoff auch im höheren Lebensalter anwenden können.
Es ist immer wieder die Rede von starken Nebenwirkungen im Zusammenhang mit dem Impfpräparat von AstraZeneca. Seit der vergangenen Woche kommt das Mittel auch im Impfzentrum des Landkreises Goslar zum Einsatz. Welche Erfahrungen haben Sie und Ihre Kollegen bisher sammeln können?
Die Nebenwirkungsrate bei dem Impfstoff von Astra-Zeneca ist aus meiner Sicht nahezu identisch zu dem der anderen zugelassenen Impfstoffe.
Nur der Zeitpunkt unterscheidet sich. Während die Nebenwirkungen bisher nach der zweiten Impfstoffdosis auftraten, so sind diese hier nach der ersten Gabe aufgetreten. Die Symptome wie Schwäche, leichtes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen traten meist am Folgetag auf und verschwanden am nächsten Tag vollständig.
Vereinzelt mussten Krankschreibungen für ein bis zwei Tage ausgestellt werden. Wie beim Impfstoff von Biontech traten die Nebenwirkungen je häufiger auf, desto jünger die Impflinge waren.
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Aus meiner Sicht sind dies normale und erwartbare Nebenwirkungen. Laut Berichten des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts decken sich Anzahl und Schwere der Nebenwirkungen in Deutschland mit den Beschreibungen in der Zulassungsstudie. Mir ist kein Fall mit anhaltend auftretenden Beschwerden bekannt.
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Das ist das Coronavirus:
- ist SARS-CoV-2 (Abkürzung für englisch: severe acute respiratory syndrome coronavirus 2)
- gehört zur Familie der Coronaviren, eine Infektion kann neue Atemwegserkrankung Covid-19 verursachen
- erstmals 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan entdeckt
- wurde von der WHO am 30. Januar 2020 als „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ und am 11. März 2020 als Pandemie eingestuft
- Infektion erfolgt in der Regel über Tröpfcheninfektion und Aerosole
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Die Coronavirus-Mutationen werden in der Wirksamkeitsdebatte auch immer wieder ins Feld geführt. Angeblich erzielt der Impfstoff hier nicht so einen guten Schutz wie beispielsweise die Mittel von Biontech oder Moderna. Was trifft hier zu, wie ist der Stand der Forschung?
Hier ist die Aussage eindeutig: Alle bisher in Deutschland zugelassenen Impfstoffe wirken gegen die „englische Variante“ und den „Wildtyp“ in Bezug auf die Notwendigkeit einer Krankenhauseinweisung bezie-hungsweise des Todes infolge einer COVID-19 Erkrankung zu nahezu 100 Prozent.
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Aussagen über die Wirksamkeit gegen die aktuell bei uns zum Glück kaum vorkommenden anderen Mutanten können heute noch nicht sicher getroffen werden.
Würden Sie Ihren Patienten also zu einer Impfung mit dem Mittel von AstraZeneca raten?
Ich würde diese Impfung, wie auch die mit den zugelassenen Impfstoffen anderer Hersteller, jedem Patienten empfehlen.
Und abschließend, wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen? Ist die Impfbereitschaft im Landkreis ausgeprägt oder besteht an dieser Stelle noch Nachholbedarf?
Aus meiner Sicht ist die Impfbereitschaft sehr gut. Der Wille, dieses entscheidende Mittel auf dem Weg aus der Pandemie zu nutzen, ist sehr groß. Mir ist beispielsweise eine Schule bekannt, in der sich 100 Prozent der Lehrkräfte für die geplante Impfung entschieden haben.
Natürlich fehlt es noch an Impfstoffdosen, aber ich denke, dass das Impfzentrum des Landkreises und auch die später zu Hilfe kommenden Hausarztpraxen sehr gut vorbereitet sind, um im März und April die Impfkampagne deutlich zu beschleunigen.
Das Interview führte ein Sprecher des Landrates Goslar. (fb)