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Braunschweig: Osterküken geschlüpft! Jetzt gibt’s massive Kritik – „Schreie gehen ins Leere“

Für viele ist das Osterküken-Schlüpfen in Braunschweig ein Highlight. Doch jetzt wird massive Kritik laut. Für die Tiere sei die Aktion „hoch traumatisch“.

Braunschweig
© IMAGO/Funke Foto Services

So niedlich sind die kleinen Osterhasen-Babys

Passend zu Ostern zeigen wir die niedlichsten, schnuckeligsten super-süßen Osterhasen-Babys.

Im Naturhistorischen Museum Braunschweig sind zum 28. Mal in Folge die Osterküken geschlüpft. Für viele ein wahres Oster-Highlight.

Doch Tierschützer sehen die Aktion extrem kritisch. Für die Baby-Vögel sei die künstliche Brut „hoch traumatisch“ – und alles nur für den Kommerz.

Braunschweig: Dramatisch für Tier – und Mensch

Es ist ein niedlicher Anblick: Kleine Küken tummeln sich mittlerweile im Naturhistorischen Museum und können seit Dienstag (26. März) sogar vor Ort bestaunt werden. Ganz unter dem Motto „Mensch und Huhn: Geschichte einer langen Beziehung“ will das Museum über die „Domestizierung des Haushuhns und wie es zu seiner heutigen Vielfalt kam“ informieren. Doch um genau diesen „Niedlichkeitsfaktor“ geht es, wenn Lisa Kainz von der Tierschutzorganisation Peta über die Oster-Aktion mit News38 spricht.

„Das Brüten hat nichts mit Natürlichkeit zu tun. Hier vermittelt man Kindern beabsichtigt und wohlwissend ein falsches Bild für den Niedlichkeitsfaktor. Der wird hier ausgenutzt, um Besucher anzulocken“, macht die Fachreferentin deutlich. Dabei geht es nicht nur um Braunschweig. „Wir kritisieren das Küken-Ausbrüten generell. Das gibt es ja leider auch in vielen Schulen oder Kindergärten“, erzählt sie.

„Für die Tiere ist das hoch traumatisch“

Doch was genau ist so problematisch an der Aktion? „Für die Tiere ist das hoch traumatisch. Die Küken suchen normalerweise bei ihrer Mutter Unterschlupf, so wie es bei jedem anderen Vogel auch der Fall ist“, so Lisa Kainz weiter.

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In der freien Natur brüten die Mutter ihre Küken aus, danach müssten sie im Ideal-Fall ganz nah mit der kleinen Hühner-Gruppe leben. Was beim Osterküken-Schlüpfen fehle: „Viel kuscheln und beschützt zu werden.“ Eigentlich würden Hühner schon in den letzten Tagen im Ei mit ihrer Mutter kommunizieren, erklärt die Tierschützerin weiter. „Da gehen die Schreie jetzt halt ins Leere.“

Das Leben müssten sie von Anfang an alleine meistern. Die Mutter bringe ihren Küken in der Natur auch alles bei. Wie man pickt, was die Tiere eher in Ruhe lassen sollten, wie man sich versteckt. „Das müssen sie sich jetzt selber beibringen“, erklärt Lisa Kainz. Sie macht nochmal deutlich: „Das ist nichts schönes für die Tiere.“ Ein wichtiger Punkt für die Tierschützerin: Kinder würden weniger über die Hühner-Biologie lernen. Viel eher zeige man mit der Aktion, „dass man Tiere als Zweck zur Unterhaltung nutzen kann.“

Film als Verbesserungsvorschlag?

Doch die Küken gehen nach dem 7. April wieder zurück auf den Tier- und Ökogarten in Peine. Von dort stammen die Hühner-Eier auch. Dann könnten die Küken doch wieder zurück zu ihren Müttern – oder? „Schwierig“, antwortet die Peta-Fachreferentin auf die Frage. „Ich weiß auch nicht, ob die Küken wirklich direkt wieder in die Gruppe oder ob sie quasi erst mal in ein Extra-Gehege kommen. Weil es kann nämlich auch sein, dass sie sonst gepickt werden.“

Hühner haben nämlich eine Rangordnung und es könne sein, dass die Küken von den anderen nicht akzeptiert werden. Denn die kleinen Vögel seien noch nicht geschlechtsreif. Außerdem bräuchten sie in dem jungen Lebensalter noch ein besonderes Wärme-Management. „Ich kenne natürlich nicht die Umstände vor Ort, aber so würde ich es mir denken“, fügt sie hinzu.

Über einen Live-Stream konnte das Schlüpfen beobachtet werden.

Lisa Kainz hat einen Verbesserungs-Vorschlag. Sie findet, dass auch Filme die wichtigen Infos über das Schlüpfen der Küken zeigen könnten. Ihr sei bewusst, dass dadurch der Besucher-Ansturm ausbliebe. Trotzdem sieht sie in der Film-Lösung die artgerechtere Variante. „Ich meine, mein Sohn kennt so viele Dinge über Dinosaurier und er hat noch nie einen echten gesehen“, erklärt sie beispielhaft.

Naturhistorisches Museum weist Kritik von sich

Doch was sagt das Naturhistorische Museum zu der scharfen Kritik? Auf News38-Nachfrage heißt es: „Küken, die ohne Henne aufwachsen, sind nicht traumatisiert. Dies stellt eine Vermenschlichung von Tieren dar.“ Was aber richtig sei: „Hühner [sind] soziale Tiere und kein Küken [darf] alleine bleiben, es sollte immer eine mindestens kleine Gruppe sein“, so Mark Reich, Direktor des Naturhistorischen Museums. In Braunschweig würden die Küken nach dem Schlüpfen immer in Gesellschaft leben und so auch instinktive Verhaltensweisen, wie Scharren, picken oder im Sandbaden, lernen.

Die Kritik, dass hier der „Niedlichkeitsfaktor“ für wirtschaftliche Zwecke ausgenutzt werden würde, weist Reich von sich: „Von ‚ausnutzen‘ kann hier so nicht die Rede sein.“ Seit über 100 Jahren würde der „Niedlichkeitsfaktor“ weltweit „genutzt“ – ob in der Spielwarenindustrie, in Büchern, Filmen, Fernsehen oder eben in Museen.

Seit 1995 sei das Naturhistorische Museum angehalten, Eintrittsgelder zu nehmen. Diese könnten man dann im Museum lassen und für Ausstellungsprojekte, Infrastruktur oder Veranstaltungen nutzen. „Um weiterhin ein vielfältiges und interessantes museales Angebot für Besuchende allen Alters bieten zu können, sind wir dringend auf diese Gelder angewiesen“, so der Direktor weiter. Denn die Gelder vom Land Niedersachsen würden „aufgrund der allgemein stark gestiegenen Preise, beispielsweise selbst für das Aufsichts- und Wachpersonal, nicht mehr ausreichen.“

„Medialer Aufschrei“ unter Braunschweigern

Würde man die Osterküken-Aktion abschaffen, sei außerdem der Aufschrei unter Braunschweigern riesig. „Als ich vor zwei Jahren das Direktorenamt übernommen habe, wurde mir seitens zahlreicher Bürgerinnen und Bürger sowie Familien Braunschweigs versichert, dass die ‚Osterküken‘ im Naturhistorischen Museum mittlerweile zu einem festen Bestandstermin geworden sind, um ins Museum zu gehen.“ Es würde einen „medialen Aufschrei“ und zahlreiche Beschwerden geben, wenn die Veranstaltung aus dem Programm genommen werden würde, so Mark Reich weiter.

Und dass die Küken in Peine nicht akzeptiert oder sogar drangsaliert werden würden? „Sie [Rangordnungen Anm. d. Red.] regeln das Zusammenleben und haben nichts mit sinnlosem Drangsalieren zu tun, sondern spiegeln die Sozialordnung wider – wer hat Vorrechte am Futter- oder Schlafplatz“, erklärt Mark Reich. Er räumt ein: „ Die Rangordnung ist bei Hühnern deutlich ausgeprägt.“ Doch sie würde nicht durch die Geburt oder das Fehlen von der Mutter-Henne bestimmt. Auch kleine Küken würden schon „Hacken“. „Im Normalfall handelt es sich innerhalb der Rangordnung mehr oder weniger um eine Altersordnung.“ 


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Zum Verbesserungsvorschlag von Lisa Kainz findet der Museums-Direktor klare Worte. „Wir beobachten immer wieder, dass es, vor allem in den Kindern, etwas völlig anderes auslöst, wenn Sie eine Gruppe lebendiger, zart und zerbrechlich aussehender Küken vor sich sehen, als wenn sie diese nur digital und eher emotionslos auf einem flachen Bildschirm sehen.“ Die Erfahrung sei für die Kinder eine ganz andere. Mitarbeiter stünden die ganze Zeit für Fragen und Erklärungen zur Verfügung. „Die direkte Begegnung mit einem lebenden Tier ist eine Erfahrung, die nicht durch Filme ersetzt werden kann“, findet Reich abschließende Worte.